Naturphilosophie konkret: Ein Interview über Menschen und Bienen

Was kann ich wissen? Was ist der Mensch? Diese zwei Fragen sind nach Kant zwei der vier Hauptfragen der Philosophie. Fragen, die auch meinen Kollegen Ben Rathgeber und mich durch die Philosophie geführt haben. Begegnet sind er und ich in der zeitgleichen Studienzeit an der Universität Marburg immer dann, wenn Prof. Dr. Peter Janich oder Dr. Dr. Mathias Gutmann Seminare und Vorlesungen angeboten haben, die das Verhältnis von Philosophie und Naturwissenschaften grundsätzlich thematisierten. Denn zunehmend beanspruchen die Naturwissenschaften, uns die oben genannten Fragen zu beantworten. Im Mensch-Natur-Verhältnis sage uns die Naturwissenschaft, was der Mensch sei und wir wissen können.

Janich, selbst von Hause aus Physiker, und Gutmann, von Hause aus Biologe, machten darauf aufmerksam, dass die Unterscheidung von Mensch und Natur unvollständig ist. Denn schon Aristoteles unterscheidet in seiner Physik, der Vorlesung über die Natur, zwischen dem Menschen, dem Natürlichen und dem Artifiziellen oder Kultürlichen. Das Verhältnis ist also ein dreiteiliges. Anhand des Menschen unterscheiden wir, was vom Menschen bedingt ist und was nicht vom Menschen, sondern von sich selbst bedingt ist, das letztere nennen wir Natur und das erste nennen wir Kultur. Das Verhältnis zur Natur und zu uns Menschen selbst ist dabei immer auch kulturell vermittelt, sei es im Medium der Sprache oder in unseren alltäglichen Handlungen und den verschiedenen Kulturbereichen hochstilisierter Praxen wie den Wissenschaften und der Philosophie. Neben den Naturalismus stellten sie den (methodischen) Kulturalismus.

Fragen wir im Zeichen der Nachhaltigkeit und des Naturschutzes nach dem Verhältnis des Menschen zur Natur oder angesichts vielfältiger krisenhafter Ereignisse von Dürre, Waldbrand, Flut und Sturm nach der Rückwirkung der Natur auf uns Menschen, so sollten wir mithin unsere Kultur in den Blick nehmen. Welche kulturellen Ideen und Praxen haben unsere heutige Kultur, uns als Personen, unsere Organisationen und Institutionen, unsere Gesellschaft dorthin geleitet wo wir jetzt stehen und wie erlangen wir durch das Verständnis unserer eigenen Geschichte Gestaltungsspielräume und Freiräume für Veränderung?

Ein starker Strang, der sich durch die Geschichte des Mensch-Natur-Kultur-Verhältnisses zieht, ist die der Religion, bei uns das Christentum. Und so freuten wir uns über eine Interviewanfrage der Redaktion Religion & Orientierung des Bayrischen Rundfunks an Ben Rathgeber, der inzwischen als Professor für Naturphilosophie mit dem Schwerpunkt Natur und Geist an der Hochschule für Philosophie in München tätig ist. Er erzählte mir von dieser Anfrage und es lag nahe für uns, dass wir das Interview gemeinsam führen wollten – er sollte eher auf allgemeine Fragen der Naturphilosophie antworten und ich für die Anwendungsthemen der Umwelt- und Nachhaltigkeitsethik eintreten. Konkret ging es um die Biene, die in Bayern durch das erfolgreiche Volksbegehren Artenschutz – Rettet die Biene viel Aufmerksamkeit erfahren hatte. Dabei steht die Biene nicht nur für sich selbst. Wie der Panda, der Eisbär oder der Wal gilt sie in Naturschutzkreisen als charismatische Art, mit der man auf Themen des Schutzes von Arten und deren Lebensräume aufmerksam machen kann. Sie unterscheidet sich indes durch ihre ökologische Funktion. Aufgrund des erdgeschichtlichen Alters dieses Insekts und seiner Bestäubungsleistung für Blütenpflanzen jeglicher Art ist sie eng und für uns alle spürbar in die Koevolution der Landökosysteme und Biodiversität vernetzt. Weshalb oftmals der Albert Einstein zugeschriebene Satz, stirbt die Biene, stirbt der Mensch, zitiert wird. Mit der Biene kann also die innere Vernetzung der Natur und die menschliche Abhängigkeit von dieser beispielhaft veranschaulicht werden.

Das mehrstündige Interview war eine interessante Erfahrung für uns. Ein lockeres Gespräch über Naturphilosophie, Nachhaltigkeit, Metaphorik, Ideengeschichte und gleichzeitig das Bewusstsein, für die Aufnahme immer wieder zitierfähige Sätze sprechen zu sollen. Am Ende blieben zweimal zwei Aussagen übrig, die Eingang in das Feature gefunden haben. Sie finden den Beitrag über folgenden Link. Viel Freude beim Reinhören und vielleicht die eine oder andere neue Information und Einsicht wünschen wir Ihnen: „Von Menschen und Bienen – Eine Beziehung zwischen Fürsorge, Ausbeutung und Verehrung“, Viktoria Hausmann, Bayerischer Rundfunk, BR2, Religion – Die Dokumentation, Erstausstrahlung am 21.3.2021.