Mein Weg zur Systemischen Beratung
Ich bin seit 2016 als Berater, Coach und seit 2022 als Systemischer Supervisor tätig. Mit Systemtheorie und Systemischer Beratung – ursprünglich im Hinblick auf Politikberatung – beschäftige ich mich bereits seit meiner Schulzeit und später im Studium sowie in Forschung und Lehre. Meinen persönlichen Werdegang in der Systemwissenschaft habe ich in einem eigenen Beitrag zur Frage “Was ist systemisches Denken?” skizziert.
Seit 2018 lehre ich am Systemischen Institut in Karlsruhe. Seit 2020 unterrichte ich zu den Grundlagen der Systemischen Theorie und Praxis im Format Systemische Webinare. In den Jahren 2022/2023 habe ich eine Weiterbildung zum Systemischen Supervisor absolviert.
Sie können mich als Managementberater, Coach, Supervisor und Intervisor oder als Dozent anfragen, der selbstverständlich auch nach dem Systemischen Ansatz mit den etablierten systemischen Theorien, Methoden und Werkzeugen arbeitet.
Was ist Systemische Beratung?
Fritz B. Simon zählt zu den bedeutendsten Vertretern der Systemischen Beratung. Er hat die Systemische Beratung durch zahlreiche Publikationen theoretisch fundiert und aus eigener therapeutischer und beratender Erfahrung praxisrelevant weiterentwickelt. In einem Interview mit der Zeitschrift Wirtschaft + Weiterbildung (2017) sagte Simon: „Das Wort systemisch kennzeichnet die Theorie.“ Damit grenzt er sein Verständnis von „systemisch“ klar von der bloßen Anwendung systemischer Haltungen, Methoden und Werkzeuge ab.
Trotz dieser Relevanz der Theorie für die Praxis wird die Systemtheorie in den systemischen Aus- und Weiterbildungen meist vernachlässigt und spielt in der beruflichen Praxis nur eine untergeordnete Rolle. Dies liegt zum einen daran, dass insbesondere die Theorien von Luhmann, Maturana und Simon vergleichsweise anspruchsvoll sind. Zum anderen ist der direkte Praxisbezug für viele nicht ohne Weiteres erkennbar. Nachdem Dr. Benjamin Rathgeber und ich im Jahre 2017 am KIT Karlsruhe ein philosophisches Seminar zum Systemischen Denken bei Kant, Hegel und Adorno gegeben haben, hat sich eine Zusammenarbeit mit dem Miriam Ullrich und dem Systemischen Institut Karlsruhe ergeben, die ich seitdem Ben Rathgeber eine Professur für Philosophie in München angetreten hat, weiterführe. Mit den Systemischen Webinaren bieten Miriam Ullrich ein Angebot praxisorientierter und praxisreflektierender Theoriearbeit an, in dem wir dieser Frage nach dem zieldienlichen Verhältnis von Theorie und Praxis der Systemtheorie nachgehen.
Dabei vertrete ich einen reflexiven, wissenschaftstheoretischen und ideengeschichtlichen Ansatz in meiner Auseinandersetzung mit der Systemtheorie, der Systemwissenschaft sowie der systemischen Beratung. Als Philosoph und Wissenschaftler habe ich mich nicht nur mit einem Sytemischen Ansatzes, sondern mit verschiedenen der zahlreichen systemischen Ansätze in der Theorie und Praxis auseinandergesetzt. Ich verstehe die systemische Perspektive als einen wichtigen Versuch, die Komplexität und Vielfalt der Welt, unseres Wissens von Welt und unserer Wirkung auf Welt zu erfassen.
Wer von Systemischer Beratung spricht oder hört, meint meistens einen bestimmten Systemischen Ansatz. Die am weitesten verbreitete Konzeption systemischer Beratung beziehen sich auf die historische Entwicklung der Systemischen Beratung in der Familientherapie und die Systemtheorie von Luhmann. Ich erkenne selbstverständlich an, dass diese wesentliche Erkenntnisse zum systemischen Verständnis von Welt und unseres Wissens zur systemischen Veränderung menschlicher, personaler, sozialer und organisationaler Wirklichkeiten beigetragen hat. Nur die wenigsten wissen jedoch um die grundlegende Vielfalt der Systemkonzepte. Wer Luhmann kennt, kennt normalerweise Vester nicht. Wer Forrester kennt, kennt Luhmann nicht. Wer Luhmann kennt, kennt vielleicht Parsons, aber wer Fritz B. Simon kennt, Parsons wohl eher nicht, dafür vielleicht Gregory Bateson, Heinz von Foerster und Humberto Maturana. Aber wer hat schon Wiener gelesen oder kennt Hayek als Systemtheoretiker? Oder befasst sich mit dem Systembegriff bei Aristoteles, Kant und Hegel, Adorno oder Fredmund Malik?
Was unterscheidet all diese Ansätze und worin gleichen sie sich alle als systemische Ansätze? Worin liegen ihre Stärken und Schwächen, die Chancen und Risiken? Und welche kann man wozu gebrauchen, sind in welchen Fällen nützlicher oder hinderlicher, machen sichtbar oder unsichtbar? Diejenigen, die sich auf Luhmann berufen und eher theoretisch verfasst sind oder diejenigen, die sich wie System Dynamics eher mit methodischen Fragen und deren Anwendungsbeispielen befasst haben? Ich meine, aus einer reflexionsphilosophischen Perspektive, die die Vielfalt der Systemansätze selbst systemisch versteht, müssen sich diese verschiedenen Systemansätze nicht nur nicht ausschließen, sondern können auch als verschiedene Mittel, als verschiedene Methoden und Werkzeuge der Forschung und Beratung betrachtet und genutzt werden.
Die zumindest im deutschsprachigen Raum am weitesten verbreiteten Konzeptionen systemischer Beratung greifen inzwischen auf die Systemtheorie von Luhmann zurück. Für Beratung kann nach Luhmann und mit Fritz B. Simon zwischen biologischen Systemen, psychischen Systemen (Bewusstseinssysteme) und sozialen Systemen (Kommunikationssystemen) unterschieden werden. Beratung ist Sachberatung/Fachberatung und Prozessberatung. Soziale Systeme sind personenorientiert (Paare, Familien) oder sachorientiert/aufgabenorientiert (Teams, Organisationen). Soziologische Systemtheorien sind Handlungstheorien oder Kommunikationstheorien, wobei im letzteren Fall (insb. bei Luhmann) Kommunikation nicht als Sprachhandlungen rekonstruiert werden.
Die verschiedenen Ansätze Systemischer Beratung, die sich auf Luhmann beziehen, zählen zu den wenigen Ansätzen von Beratung, die eine breite theoretische Reflexion und Grundlage sowie auf dieser Grundlage eine breite und wirksame Beratungspraxis nachweisen können. Dabei werden sie zumeist in Kombination mit der Philosophie des Konstruktivismus, wie sie sich in verschiedenen Disziplinen und Praxisfeldern etabliert hat, verstanden. Einige Punkte der Systemischen Beratung in dieser Traditionslinie sind aus philosophischer, wissenschaftstheoretischer, ideengeschichtlicher und systemwissenschaftlicher Perspektive bemerkenswert:
Diese Form der Systemische Beratung
- hat eine theoretische Grundlage, kann damit theoretisch reflektiert, kritisiert und weiterentwickelt werden
- hat mit ihrer Familienähnlichkeit mit dem Konstruktivismus einen Bezug zur erkenntnistheoretischen Grundlagendiskussion
- hat ein Konzept des Theorie-Praxis-Verhältnisses
- hat ein Konzept von Reflexivität (Beobachtung 1. und 2. Ordnung; Differenztheorie)
- hat ein Konzept von Komplexität und dem Umgang mit Komplexität
- hat ein Sprach- und Kommunikationskonzept
- ist nicht naturalistisch und kann kulturalistisch oder dialektisch interpretiert werden
- ist offen für verschiedene Methoden und Methodologien
- ist in der Kritik anschlussfähig für den Diskurs der Ganzheitlichkeit
- ist in der Kritik anschlussfähig für den Diskurs des Humanismus und der Aufklärung
- ist anschlussfähig für den Diskurs von Autopoiesis und damit auch der Autonomie