Biodiversitätsschutz als Risiko?

Ein Beitrag zu Umweltgerechtigkeit und Verständigung im Spannungsfeld Landwirtschaft-Naturschutz

„In der Bundesrepublik Deutschland ist der Natur- und Biodiversitätsschutz bundeseinheitlich im Gesetz über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) geregelt (vgl. Jeromin 2010). Das BNatSchG dient u.a. der Umsetzung der Biodiversitätskonvention (CBD) (1992) und der Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt (NBS) (2007). Auf dieser gesetzlichen Grundlage können Landeigentümern  Nutzungsbegrenzungen auferlegt und in besonderen Fällen kann Land enteignet werden. Auflagen erfolgen entsprechend ihrer Zumutbarkeit entschädigungslos oder sie werden monetär entschädigt. Enteignungen sind grundsätzlich mit Geld zu entschädigen (BNatSchG §§ 65, 68).

Die normative Akzeptabilität und Legitimität von naturschutzrechtlichen Einschränkungen des Eigentumsrechts sind umstritten. Begründet werden Eingriffe in das Eigentumsrecht privater Landeigentümer zu Gunsten des Natur- und Biodiversitätsschutz u.a. mit den normativen Geltungsansprüchen der Gerechtigkeit, insbesondere der Generationengerechtigkeit und der Anerkennung des Eigen- oder Selbstwertes der Natur (vgl. CBD; NBS; BfN 2012; Eser et al. 2011). Aus den naturschutzbehördlichen Eingriffen in ihr Eigentumsrecht ergeben sich für betroffene Landwirte Nachteile und Risiken. Mehrere Studien weisen darauf hin, dass Landwirte diese unfreiwilligen Naturschutzmaßnahmen fürchten. Darüber hinaus werden oftmals eine mangelnde Akzeptanz und ein allgemeines Misstrauen gegenüber dem Naturschutz überhaupt sowie eine mangelnde Bereitschaft von Landwirten zur Teilnahme an Maßnahmen des freiwilligen Naturschutzes beklagt. Für die Entwicklung unserer kleinen empirischen Studie nahmen wir an, dass zwischen der dargelegten Rechtssituation im Naturschutz und diesen Befunden über die Einstellung der Landwirte zum Naturschutz ein Zusammenhang besteht. Deshalb stellten wir Landwirten und anderen Bürgern Fragen zu ihrer prädiskursiven Beurteilung der Risiken, der Legitimität und der Effektivität dieser rechtlichen Regelung des Biodiversitätsschutzes.

Im ersten Abschnitt (1.) stellen wir die theoretisch-normativen Grundlagen aus der Diskurs- und Gerechtigkeitstheorie unserer Studie dar und geben Einblick in den gegenwärtigen Stand der Forschung zur Furcht der Landwirte vor dem Naturschutz. Es folgt ein kurzer Abschnitt über die Methoden der Datenerhebung und -auswertung (2.). Erste empirische Ergebnisse werden im dritten Abschnitt vorgestellt und kurz diskutiert (3.). Wir schließen mit einem Fazit (4.). Unsere Studie verstehen wir als Beitrag zur Erarbeitung rationaler Verständigungsperspektiven im Spannungsfeld Landwirtschaft und Naturschutz und zur Verbesserung von Legitimität und Effektivität des Biodiversitätsschutzes im Hinblick auf die Umsetzung von CBD und NBS.“

Quelle: Hebenstreit, M.; Barkmann, J. (2014): „Biodiversitätsschutz als Risiko? Ein Beitrag zu Umweltgerechtigkeit und Verständigung im Spannungsfeld Landwirtschaft-Naturschutz“, in: Bundesamt für Naturschutz (ed.): „Treffpunkt biologische Vielfalt XIII. Interdisziplinärer Forschungsaustausch im Rahmen des Übereinkommens über die biologische Vielfalt“, BfN-Skripten 370, Bonn – Bad Godesberg, 23-28, S. 23